Anhänge zum Interview

Was ist Rechtsextremismus? Definition damals und heute

Quelle: jugendopposition.de der Bundeszentrale für politische Bildung

Im Vorfeld der Landtagswahlen vom 20. Oktober 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone wirbt die SED um ehemalige NSDAP-Mitglieder

‚Wenn Du Hitler gefolgt bist, um Deutschland zu dienen, so bist Du unser Mann!‘

Im Vorfeld der Landtagswahlen vom 20. Oktober 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone wirbt die SED um ehemalige NSDAP-Mitglieder. Diese Wahlen sind die letzten einigermaßen freien und geheimen Wahlen auf dem Gebiet der späteren DDR.

SOZIALISTISCHE EINHEITSPARTEI DEUTSCHLANDS
KREISVERBAND SONNEBERG

Nomineller Pg.,

die SED. ruft Dich
zur Mithilfe am Neuaufbau Deutschlands!

Sie ruft Dich dann, wenn Du nicht aus materiell-egoistischen Gründen, sondern aus Überzeugung und Idealismus einstmals zur NSDAP. gegangen bist, wenn Du dorthin gingst im Glauben, das Gute, den Sozialismus zu finden. Dann komme zu uns! Denn was Hitler Dir versprochen hat und niemals hielt, das wird Dir die SED. geben.

Wenn Du Hitler gefolgt bist, um Deutschland zu dienen, so bist Du unser Mann. Denn die SED. ist die einzige Partei, die sich konsequent für ein einheitliches und großes Deutschland einsetzt, für ein Deutschland des Friedens und der Arbeit.

Willst Du an einem solchen mitbauen,
so wähle Liste 1!

SED. KREISVERBAND SONNEBERG/HILDBURGHAUSEN/MEININGEN

Unterschrieben haben Georg Klaus und Willi Bunzel, Chefs der SED-Kreisleitung


In der SED fanden viele der ehemaligen Nationalso­zialisten eine neue politische Heimat mit Aufstiegsper­spektive

Quelle: cducsu.de/themen/innenpolitik

Während ihrer gesamten Existenz legitimierte sich die ehemalige DDR stets als antifaschistischer Staat, das war sozusagen ihr Gründungsmythos. Die Lebens­wirklichkeit der offiziell entnazifizierten Gesellschaft sah jedoch grundlegend anders aus. Bereits beim Auf­bau des sozialistischen Einheitsstaates griff die SED auf Angehörige von früheren NS-Organisationen zurück, und das nicht zu knapp.

Soweit sie nicht schwerster Ver­brechen beschuldigt wurden, erhielten frühere NSDAP-Mitglieder zeitnah die Chance, beim Aufbau der ange­strebten sozialistischen Gesellschaft mitzutun – zum gro­ßen Entsetzen der Opfer des Naziregimes in den eigenen Reihen.

In der SED fanden viele der ehemaligen Nationalso­zialisten eine neue politische Heimat mit Aufstiegsper­spektive. Voraussetzung dafür war das Verschweigen der eigenen braunen Vergangenheit. Gefragt wurde auch kaum. Dass dies bei vielen der ehemaligen NSDAP-Mit­glieder gängige Methode war, belegt eine Studie von Wissenschaftlern der Friedrich-Schiller-Universität Jena aus dem Jahr 2009.

Sie fanden heraus, „dass das Verschweigen der NSDAP-Mitgliedschaft – mit oder ohne offizielles Einverständnis höherer politischer In­stanzen – eine Parteikarriere überhaupt erst ermög­lichte“. Ferner konnten die Wissenschaftler bei ihrer Untersuchung der Ersten und Zweiten Kreis- und Be­zirkssekretäre der SED in den ehemaligen Bezirken Gera, Erfurt und Suhl eine mit 14 Prozent sehr hohe Quote von örtlichen SED-Spitzenfunktionären mit Nazi­vergangenheit feststellen.

Etliche Alt-Nazis in der SED schafften es aber auch nach ganz oben; das belegen die Forschungsergebnisse des Historikers Olaf Kappelt. In seinem „Braunbuch DDR“ hat er Hunderte solcher Karrieren nachgewie­sen: Beispielsweise gab es viele NS-belastete Diploma­ten und DDR-Außenpolitiker, wie den ehemaligen stell­vertretenden DDR-Außenminister Kurt Nier, zuständig für die Beziehungen zu Westeuropa, Kanada, den USA, Australien und Japan, er trat am 20. April 1944 in die NSDAP ein. Friedel Trappen, zeitweise DDR-Botschaf­ter in Chile und stellvertretender Leiter der Abteilung Internationale Verbindungen im SED-Zentralkomitee, war seit 1942 Mitglied der NSDAP.

Hans Jürgen Weitz, langjähriger DDR-Botschafter im Irak, Kuweit und Ägypten, war seit 1942 NSDAP-Mitglied und darüber hinaus in der SS.  Siegfried Bock, DDR-Botschafter in Rumänien, war ebenso ehemaliges NSDAP-Mitglied wie seine Diploma­ten-Kollegen Norbert Jaeschke, DDR-Botschafter in der Türkei und Dänemark, und Walter Ißleib, DDR-Bot­schafter in der Jemenitischen Arabischen Republik. Al­lesamt hatten trotz ihrer NS-Vergangenheit leitende Pos­ten im DDR-Außenministerium inne. Auch zu den Vereinten Nationen nach Genf wurde ein ehemaliger Nationalsozialist entsannt, der DDR-Bot­schafter Gerhard Kegel, bereits früh, 1934, in die NSDAP eingetreten und 1941 durch Hitler zum Lega­tionssekretär im Auswärtigen Amt befördert.

Neben den Diplomaten- und außenpolitischen Posten fanden die ehemaligen Nationalsozialisten auch an den Universitäten der DDR als Dekane, in den Chefredak­tionen der SED-gleichgeschalteten DDR-Medien, in der DDR-Armee, im DDR-Ministerrat, der DDR-Volks­kammer und im Zentralkomitee der SED ihre Wirkungs­stätten.

Im letzten SED-Zentralkomitee unter Erich Honecker waren mehr frühere NSDAP-Angehörige zu finden als ehemalige Mitglieder der SPD! Darunter der SED-Kaderchef Fritz Müller, zuständig für die gesamte Personalpolitik der DDR-Staatspartei, NSDAP-Mitglied seit 1938.  Die Staatsdoktrin Antifaschismus der ehemaligen DDR war also nur ein großes Mythos. Die Fassade des antifaschistischen Staates konnte nur durch einvernehm­liche Verschwiegenheit und Manipulation in den Biogra­fien der SED-Führungskräfte aufrechterhalten werden.


Wahlwerbung vor 75 Jahren „Was Hitler Dir versprochen hat, wird Dir die SED geben“

Quelle: insuedthueringen.de, Artikel von Olaf Amm, vom 21. 04. 2021

In Südthüringen waren die Verhältnisse verheerend: Die SED war in ganz Deutschland die erste Partei, die sich vormaligen Nationalsozialisten öffnete. Die Ideen waren sich offensichtlich ähnlich, wie eine alte Wahlwerbung aus Sonneberg zeigt.

Sonneberg/Hildburghausen/Meiningen – Zum Gründungsmythos der SED gehört der Kampf gegen den Faschismus. Das ist eine Herausforderung, wenn in den ersten Jahren nach dem Krieg ein großer Teil der Menschen – und manchmal sogar die Mehrheit – im nationalen Sozialismus eine attraktive Idee sah, die doch nur falsch umgesetzt wurde.

In Sonneberg hatte die Nazipartei am Ende der ersten Republik Wahlergebnisse von mehr als 50 Prozent erreicht, in anderen Orten Südthüringens sah es kaum besser aus. Jeder neunte Deutsche war später „Pg“, also NSDAP-Parteigenosse – freiwillig. Um sie warb die neue SED von Anfang an, wie ein Werbebrief der SED-Kreisleitung Sonneberg im Vorfeld der Landtagswahlen im Oktober 1946 zeigt.

‚Nomineller Pg., die SED ruft Dich zur Mithilfe am Neuaufbau Deutschlands! Sie ruft Dich dann, wenn Du nicht aus materiell-egoistischen Gründen, sondern aus Überzeugung und Idealismus einstmals zur NSDAP gegangen bist, wenn Du dorthin gingst im Glauben, das Gute, den Sozialismus zu finden. Dann komme zu uns! Denn was Hitler Dir versprochen hat und niemals hielt, das wird Dir die SED geben. Wenn Du Hitler gefolgt bist, um Deutschland zu dienen, so bist Du unser Mann. Denn die SED ist die einzige Partei, die sich konsequent für ein einheitliches und großes Deutschland einsetzt, für ein Deutschland des Friedens und der Arbeit.‘

Die SED war im Nachkriegsdeutschland die erste Partei, die sich ehemaligen Nationalsozialisten öffnete. Am 15. Juni 1946 fasste das SED-Zentralsekretariat den neuen grundlegenden Beschluss zur Aufnahme der ehemaligen NSDAP-Mitglieder, soweit sie bei der Entnazifizierung als „Mitläufer“ eingestuft waren. 1954 verschaffte sich die SED-Parteizentrale einen Überblick über die frühere Zugehörigkeit ihrer Parteimitglieder zur NSDAP und deren Gliederungen. Allein im Bezirk Erfurt waren fast 11 000 SED-Genossen vormalige Nazis. Ihr Anteil an der Gesamtmitgliedschaft betrug 15,4 Prozent, womit Erfurt einen Spitzenwert in der DDR-Bezirksstatistik einnahm; im Bezirk Gera lag der Anteil bei 11,3 Prozent, im Bezirk Suhl ebenfalls bei 15,4 Prozent, wie die Historikerin Sandra Meenzen in ihrem Buch „Konsequenter Antifaschismus? Thüringische SED-Sekretäre mit NSDAP-Vergangenheit“ berichtet.

NSDAP-Mann als erster SED-Kreissekretär

Erschütternd ist ein Bericht des Zentralkomitees von 1954: „So gibt es im Kreis Hildburghausen Grundorganisationen, deren Mitglieder fast hundertprozentig ehemals Mitglieder der NSDAP waren, zum Beispiel die Parteiorganisation Vermessungsdienst, dort sind von 19 Mitgliedern 18, die ehemals der NSDAP angehörten.“ In Meiningen befand sich die SED-Kreisleitung im gleichen Gebäude, das zuvor die NSDAP-Kreisleitung besetzt hatte. 1962 bis 1964 war hier ein einstiges NSDAP-Mitglied erster SED-Kreissekretär.

‚Eine Überprüfung der Lage in den Grundorganisationen ergab, dass es gegenwärtig dort nicht möglich ist, andere Leitungen zu bilden“, heißt es 1953 in einem SED-Bericht. Der Historiker Armin Mitter sagte dazu im Magazin Der Spiegel: „Die NSDAP stellte geradezu ein Kaderreservoir dar.“ Hinter der antifaschistischen Fassade, so Mitter, wurden „in der DDR NS-Probleme kaum anders verdrängt als in der Bundesrepublik.‘

In Thüringen galt die SPD der Weimarer Republik als linker als die Sozialdemokraten in anderen Landstrichen. 1923 beteiligte die SPD die Kommunisten sogar für ein paar Monate an der Landesregierung. Diese Kooperationsbereitschaft hat sich nach Ansicht verschiedener Historiker im antifaschistischen Widerstand und auch nach 1945 fortgesetzt.

Vordenker einer Vereinigung in Thüringen war der Sozialdemokrat und ehemalige Buchenwald-Häftling Hermann Brill. Ab Anfang Juni 1945 war er der erste Regierungspräsident des neuen Landes Thüringen. Nur zwei Wochen nach dem Einzug der sowjetischen Besatzungsmacht wurde er aber auf Betreiben Walter Ulbrichts als Regierungspräsident abgesetzt. Ulbricht beglich damit eine offene Rechnung aus dem Jahr 1923, als Brill einen bolschewistischen Putschversuch der KPD in Thüringen verhindert hatte. Brills Vorstellungen über den Neubeginn einer eigenständigen deutschen Arbeiterbewegung kollidierten mit denen der sowjetischen Besatzungsmacht.

Zu den Landtagswahlen im Oktober 1946 erhielt die SED trotz erheblicher Bevorteilung durch die Besatzungsmacht nur rund 49 Prozent der Stimmen. Aber in allen größeren Städten siegten die Liberalen (Erfurt 43 Prozent, Weimar 46 Prozent), die einen Landesdurchschnitt von 25 Prozent erreichten. Es war eine Schlappe für die sowjetischen Besatzer und die von ihnen unterstützte SED – folgerichtig waren es die letzten halbwegs demokratischen Wahlen in der DDR bis 1990.